Das Rezensionswesen

In jedem Jahr erscheinen in Deutschland knapp 82.000 Bücher neu (Stand 2013), dass sind 225 Bücher am Tag. Auf den Tischen der Lektoren in den Verlagen landet derweil – grob geschätzt – das Hundertfache an Manuskripten, die alle auf eine Veröffentlichung hoffen, aber zumeist nur eine müde Absage kassieren. Ungefähr eins von hundert potentiellen Büchern wird also überhaupt gedruckt. Trotzdem kann man mit Fug und Recht von einer Bücherschwemme in Deutschland sprechen, die längst kein Mensch mehr überblickt.

Für Ordnung und Übersicht im Meer der Neuerscheinungen sollen dann die Rezensionen sorgen – wie sie in den Fachzeitschriften oder Feuilletons erscheinen. Bei solchen ‚Musterungen‘ handelt es sich um eine Form der Kritik, die durchaus selbst wieder literarisch sein kann. Ich erinnere nur an Kurt Tucholskys Verriss von Arnolt Bronnens ‚O.S.‘, welcher diesen Freikorps-Barden ein für allemal der Lächerlichkeit preisgab (‚Ein besserer Herr‘, GA, Bd. 11, No. 73, S. 186 ff).

Solche Perlen aber sind selten. Oft genug gewinnt der Leser bei flüchtiger Lektüre sogar den Eindruck, dass hier nur der ‚Waschzettel‘ des Verlages ausgeschrieben wurde, was dem Rezensenten Zeit und Gedankenarbeit ersparte. Das Buch selbst aber machte allenfalls mit dem feuchten Finger Bekanntschaft.

Hinzu kommt die Unsitte des Kopierens – ein Plot, der einmal erfolgreich war, wird prompt wiederholt. Dieser Umstand hängt damit zusammen, dass Verlage längst nicht mehr von Verlegern, sondern von Verlagskaufleuten regiert werden – was ein großer Unterschied ist. So entstehen die endlosen Reihen der Skandinavien-Krimis, die Rosamunde-Pilcher-Klone und all das, was eben keinesfalls mit gewohnten Leseerwartungen brechen darf. Jede Innovation ist ausgeschlossen, die Literatur wird gewöhnlich und erwartbar.

Ob so oder anders – im Feuilleton eines kulturellen Flaggschiffs wie der FAZ erscheinen täglich höchstens ein bis zwei Rezensionen, mehr sind es nicht. Von den 225 Büchern am Tag wird also allenfalls ein Hundertstel besprochen. Entweder kritisiert, bemäkelt oder in den Himmel gehoben. Einen annähernd vollständigen Überblick der Verlagsproduktion bietet unter solchen Umständen nur noch die Börse, also die Frankfurter oder Leipziger Buchmesse.

Da das Rezensionswesen somit einer Lotterie gleicht, wo auf einen veröffentlichten Treffer tausend Nieten kommen, fallen natürlich auch Perlen unter den Tisch. Genug Arbeit also für einen ‚Trüffelfahnder‘ wie den Port-au-Print-Verlag.